DO-01-2020_online
DAS OPTIMUM 3 Wohnen in Deutschland – geringer Anteil barrierefreier Wohnungen G elegentlich könnte man glauben, in deutschen Wohnungen sei es um die Barrierefreiheit gut bestellt. So hat sich beispielsweise der Anteil bodengleicher Duschen in den letz- ten zwei Jahrzehnten vervielfacht. Doch spricht man von Barrierefrei- heit, so ist es mit den Duschen allein leider nicht getan. Betrachtet man das Wohnumfeld in seiner Gesamtheit, wird das The- ma Barrierefreiheit von sehr vielen Faktoren tangiert. Es beginnt mit der Gestaltung des Eingangsbe- reichs, geht über die Türbreiten und Bewegungsfächen, die vertikale Erschließung, die Gestaltung und Ausstattung von Wohn- und Schlaf- räumen, Bädern und Küchen bis hin zu Fenstern, Beleuchtung und technischer Ausstattung. Ein riesiges Umfeld, dem die Macher des Mikro- zensus Ende 2019 (Seite 6ff) gerade ein schallendes Mangelhaft attestiert haben. Eine wichtige Schwelle – der Ein- gang! Lediglich etwa 15 Prozent aller Seniorenhaushalte verfügen dem- nach über einen stufenlosen Zugang zur Wohnung. Man könnte meinen, schlimmer sei nicht möglich. Weit gefehlt: Denn die Ergebnisse der amtlichen Statistik zeichnen ein Bild mit sehr vielen weiteren Hindernis- sen. Das erschütternde Resultat: Nur zwei Prozent der Wohnungen erfüll- ten alle Merkmale eines barrierear- men Wohnens. Das heißt: sie bieten genügend Raum in Küche und Bad, ausreichend breite Türen sowie Flure, ebenerdig zugängliche Duschen und weisen weder Stufen noch Schwellen auf. Wohlgemerkt ist hier die Sprache von „barrierearmen Wohnen” und nicht von „barrierefreiem Wohnen”. im Sinne der Norm. Warum das so ist und erst jetzt be- kannt wurde? Erstens, weil im Rahmen der Be- fragungen des Mikrozensus über- haupt zum ersten Mal Fragen zur Barrierefreiheit gestellt wurden. Und zweitens, weil die Erkenntnisse des Mikrozensus nicht auf einer Über- prüfung der Baunormen, sondern auf der Selbsteinschätzung der befragten Haushalte beruht. Diese Tatsachen lassen tief blicken und für den tasächlichen Stand der Barrierefreiheit in deutschen Woh- nungen Schlimmes befürchten. Aus dem Blickwinkel der Senioren ist damit aber „das Ende des Tunnels” noch immer nicht in Sicht. Denn wie so oft, fallen die Ergebnisse in Altbauten noch schlechter aus. Bei- spiel gefällig: während in neueren Gebäuden ab 2011 immerhin 44 Prozent über stufenlose Zugänge und ausreichend breite Türen und Flure verfügen, sind es in Altbauten (bis 1948) lediglich sehr bescheidene fünf Prozent. Gar nur ein Prozent der letztgenannten Wohnungen sind demnach nahezu barrierearm. Das mag man ob des Alters dieser Wohnungen mit einem Achselzucken abtun, doch leider trifft gerade die- ser Umstand Senioren besonders. Wie jeder weiß, wollen speziell deutsche Senioren so lange wie eben möglich in ihrem angestammten Umfeld verbleiben. Und wer bewohnt überwiegend diese alten Häuser und Wohnungen? Genau, die Senioren. Dieses erschütternde Fazit wirft eine Menge Fragen auf. Entscheiden Sie selbst.... Günther Klauke Verlag 1.01
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