DO_02_2019_online

DEMOGRAFIE 10 sind mit Berlin die einzigen beiden ostdeutschen kreisfreien Städte mit einer Leerstandsquote unterhalb von 2,5 Prozent. Es gibt unterschiedliche Formen des Leerstands – insbesondere hinsicht- lich der Marktfähigkeit der Wohnung und der Dauer ihres Leerstands. Neben dem marktbedingten und fluk- tuationsbedingten Leerstand besteht auch baubedingter Leerstand, der daraus resultiert, dass eine Wohnung wegen ihres baulichen Zustands nicht mehr nutzbar ist (BBSR, 2016b). Aus theoretischer Sicht entsteht Leerstand aus zwei Gründen: erstens aufgrund von Marktanpassungs- prozessen, da eine Veränderung des Wohnungsangebots bei veränderter Nachfrage sowohl beim Neubau und Umbau als auch beim Abriss immer eine gewisse Zeit benötigt. Hier- bei spielt auch eine Rolle, dass bei einem Angebot, das die Nachfrage übersteigt, Gebäude nicht ohne Kosten abgerissen werden können (rückbaubedingter Leerstand). Zwei- tens kommt es zu Leerstand aufgrund der großen Heterogenität von Im- mobilien (zum Beispiel hinsichtlich Größe, Ausstattung oder Lage). Diese kann zu Schwierigkeiten im Matching führen, ähnlich wie im Arbeitsmarkt. Da Immobilien (vor allem bei ver- änderter Nachfrage) nur sehr schwer substituiert werden können, steigt das Risiko verzögerter Anpassungs- prozesse und Fehlallokationen (Gat- zweiler/Milbert, 2009) Bei Immobilieneigentümern entste- hen durch Leerstand Kosten durch entgangene Mieteinnahmen, während gleichzeitig in der Regel weiter Bei- träge, Steuern, Instandhaltungs- und Betriebskosten zu zahlen sind. Zudem verursacht Leerstand enorme externe ökonomische und gesellschaftliche Kosten (Henger et al., 2014). Diese lassen sich wie folgt zusammenfas- sen: • Verringerung der Attraktivität der Lage im direkten Umfeld durch zum Beispiel marode Fassaden oder ungepflegte Gärten. Dies führt dazu, dass sich die Preise beim Verkauf und die Mieten bei Wieder- und Neuvermietungen im Umfeld (Gemeinde, Viertel, Quartier) verringern (Beermann, 2006); • Anstieg von Vandalismus und Kriminalität; • Anstieg der Pro-Kopf-Infrastruk- turkosten; • Verstärkung der Segregation be- stimmter Wohnquartiere. Betrachtet man die Entwicklung von Wohngebieten, wird zudem deutlich, dass bei steigendem Leerstand die Gefahr einer Abwärtsspirale droht, wenn Instandhaltungsmaßnahmen zurückgehen und mehr Einwohner fortziehen. Leerstände sind darüber hinaus überaus persistent und lassen sich nur äußerst schwer beheben. Die hohen externen Kosten zeigen an, dass die Vermeidung und der Abbau von Leerstand von großem gesamtge- sellschaftlichem Interesse sind. Das Auftreten von Externalitäten er- fordert wohnungspolitische Maßnah- men, da die Anbieter von Wohnraum das Leerstandsproblem nicht allein lösen können. So befinden sich die Wohnungsunternehmen und privaten Kleinvermieter beim Rück- und Um- bau von Leerstand in einer Gefange- nendilemma-Situation. Kein Anbieter oder Unternehmen hat einen Anreiz, einseitig seinen Immobilienbestand zu verringern, da der Rückbau mit Kosten verbunden ist. Nur wenn sich eine hinreichend große Anzahl von Anbietern gleichzeitig für den Rückbau entscheidet und damit eine Gegend insgesamt aufwertet, können die Akteure eine positive Rendite er- zielen. Es gilt daher, die Rahmenbe- dingungen für Wohnungseigentümer so zu setzen, dass sie bereit sind, ungenutzte Immobilien wieder nutz- bar zu machen oder rückzubauen. Lösungsansätze zur Vermeidung und Verringerung von Wohnungsleerstand Nachhaltige Siedlungsentwicklung Das Leerstandsproblem betrifft auch Städte und Gemeinden, in denen die Bevölkerung gar nicht nennenswert zurückgeht. Da vielerorts Neubau gegenüber einem Umbau von Ge- bäuden im Bestand bevorzugt wird, entstehen Leerstände auch in sta- bilen Wohnungsmärkten mit relativ konstanter Bevölkerung. Den wichtigsten Lösungsansatz für die Vermeidung und Verringerung von Leerstand stellt eine nachhal- tige Siedlungsentwicklung dar. Der sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden ist in Leit- sätzen mittlerweile fest im öffentli- chen Bau- und Planungsrecht (etwa Raum-Ordnungsgesetz – ROG, Bau- gesetzbuch – BauGB) verankert. Zudem wurden regulatorische Rah- menbedingungen zur Stärkung der Innenentwicklung eingeführt (zum Beispiel BauGB-Novelle 2013). Als Innenentwicklung werden städtebau- liche Entwicklungen bezeichnet, die auf innerörtlichen und bereits er- schlossenen Flächen und damit nicht auf der „Grünen Wiese“ stattfinden. Diese Umsteuerung hat dazu geführt, dass die Flächenneuinanspruchnahme von rund 120 Hektar pro Tag für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen in den 1990er Jahren auf heute rund 60 Hektar pro Tag gesunken ist (Statisti- sches Bundesamt, 2018). Trotz dieser Verbesserungen und eines zunehmenden Problembewusst- seins ist die Situation jedoch weiter

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