DAS OPTIMUM
BAUEN 8 gien-Wärmegesetztes (EEWärmeG 2009) zwischen 2000 und 2017 zu einer Steigerung der Baukosten für Wohngebäude von 19 Prozent geführt (siehe ARGE 2015 und aktualisierte Daten für die Jahre 2016-2017). Für den Bau einer Mietwohnung mit einem durchschnittlichen Quadratme- terpreis von 1240 Euro in 2000 und einer Größe von 100 Quadratmetern entspricht dies einer absoluten Preis- steigerung von knapp 24.000 Euro. Neben der reinen Preissteigerung aufgrund der gestiegenen Komplexi- tät der Bauweise verhindern die zeitlich eng aufeinanderfolgenden Neuerungen auch, dass Bauunterneh- men von Skaleneffekten profitieren können. Lerneffekte und Größenvor- teile, die allgemein zu Kosteneinspa- rungen führen, bleiben dadurch im Wohnungsbau weitgehend aus. Um die Kostensteigerung im Woh- nungsbau einzudämmen, müssen Standards im Bau überprüft werden. Auf internationaler (ISO), euro- päischer (EN) und deutscher (DIN) Ebene hat die Baukostensenkungs- kommission rund 3.300 für den Bau in Deutschland relevante Normen ge- zählt. Hinzu kommen noch zahlreiche Auflagen der Landesbauordnungen und der Kommunen. Technologieoffene Normen legen den Grundstein für kosteneffizien- tere Bauweisen und bieten Anreize für Innovationen. Anstelle genauer Vorgaben sollten Ziele rücken, etwa hinsichtlich des Energieverbrauchs. Vorbild Niederlande Unsere niederländischen Nachbarn bauen nicht zuletzt auf Grund ihrer reformierten Bauordnung – die sich weitgehend auf Ziele stützt – güns- tiger (Meijer, Frits / Visscher, Henk / Sheridan, Linda, 2002). Die Baukos- ten je Wohnung sind in den Nieder- landen in den vergangenen 10 Jahren um lediglich 6 Prozent gestiegen. In Deutschland kostet Bauen im Jahr 2017 dagegen ein Drittel mehr als 2007 (siehe Abbildung). Es ist unzweifelhaft, dass viele Auflagen und Anforderungen für sich genommen richtig sind, in der Gesamtheit haben sie die Neubau- kosten jedoch stark erhöht. Wichtig wäre es daher, wie in den Niederlan- den die Bauordnungen komplett zu überprüfen und nicht mehr benötig- te Regelungen zu streichen. Hinzu kommt, dass statt konkreter Vor- gaben mehr Ziele formuliert werden sollten, um die Innovationstätigkeit der Bauwirtschaft nutzen zu können. Angesichts von bislang 16 Landes- bauordnungen ist dies zweifelsohne eine große Aufgabe. Über den Weg einer entschlackten und technologie- offenen Musterbauordnung könnten jedoch die direkten Effekte mittel- fristig weitere Einsparungen bewir- ken. So bergen neue Konzepte in der Fertigbauweise Einsparpotenziale, welche jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen bisher kaum zum Tragen kommen. Aktuell ist serielles Bauen im Mittel nur geringfügig preiswerter als konventionelle Bauweisen (GdW / BMI, 2018), aber bei einer einheit- lichen Bauordnung wäre die Realisa- tion von Größenvorteilen leichter. Darüber hinaus wäre es hilfreich, wenn die Bauordnung mehr Experi- mentierklauseln zulassen würde. Insgesamt ist davon auszugehen, dass nicht jeder Neubau 50 Jahre und mehr genutzt werden wird. Ange- sichts der stark gestiegenen Zahl von Studenten ist aktuell der Bedarf an Wohnheimplätzen sehr groß, doch in ein paar Jahren wird der Bedarf aus demografischen Gründen wieder sinken (vgl. Voigtländer, 2017). In solchen Fällen wäre es richtig, die Anforderungen an Neubauten an die geplante kürzere Nutzungsdauer anzupassen. Aufgrund der langen Leerstandszeiten von Studenten- wohnheimen in den Semesterferien könnte auch über eine entsprechen- de Lockerung des Energiestandards nachgedacht werden, ohne den wichtigen Klimaschutz aus den Augen zu verlieren. Das Beispiel Niederlande zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, die Kosten- steigerungen im Neubau einzudäm- men. Allerdings ist eine Senkung eher unrealistisch. Günstiger Wohn- raum wird daher auch in Zukunft vor allem im Bestand zu finden sein. *Prof. Dr. Michael Voigtländer Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte **Pekka Sagner Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik
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