DAS OPTIMUM
BAUEN 8 griff, auf den andere Gesetze und Regelwerke verweisen. Das Gericht betonte: „Nicht jeder Mensch fort- geschrittenen Alters ist - bei aller Erschwernis, welche das Alter mit sich bringt - als körperlich behindert anzusehen und auf Rollstuhl oder Rollator angewiesen.“ Verbindliche Definitionen? Der Begriff „Barriefreiheit“ wird in diversen Regelwerken benannt und teilweise in eigenen Paragraphen auch definiert, angefangen beim Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hier beschreibt § 554a, dass der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sons- tigen Einrichtungen verlangen kann, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zu- gang zu ihr erforderlich sind, wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Der Vermieter kann seine Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der unveränderten Erhaltung der Mietsache oder des Gebäudes das Interesse des Mieters an einer behin- dertengerechten Nutzung der Miet- sache überwiegt. Dabei sind auch die berechtigeten Interessen anderer Mieter in dem Gebäude zu berück- sichtigen. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BBG) definiert als Bundesgesetz in §4 den Begriff „Barrierefreiheit“ und auch die UN-Behindertenrechtskon- vention, die in Deutschland gelten- des Recht darstellt, hält eine Defini- tion bereit. Sämtliche Landesbauordnungen definieren „Barrierefreiheit“ und auch die DIN 18040 beschreibt in Teil 1 und Teil 2, wie eine „barriere- freie“ Gestaltung aussehen muss. Die Besonderheit bei der DIN 18040 ist, dass man in der Einleitung der DIN die Definition des Behinderten- gleichstellungsgesetzes übernommen hat und damit in der DIN quasi auf das Bundesgesetz verweist. Gleich- zeitig haben alle Bundesländer (mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen) in den Landesbauordnungen die DIN 18040 als technische Baubestim- mung eingeführt, so dass sich auch hier die Vorgaben von Bundesgesetz, Landesrecht und DIN miteinander verknüpfen. Wichtig ist, dass in keinem dieser Regelwerke Begriffe wie „seniorenge- recht“ oder „barrierearm“ verwendet werden. Benutzt wird ausschließlich der Begriff „barrierefrei“! Für die Praxis Werbeaussagen und Prospekte schaffen noch keine Verbindlichkeit. Natürlich darf der Handwerker weiter- hin das „barrierefreie Bad“ ausloben. Der Bauträger darf weiterhin auf seiner Homepage damit werben, dass er grundsätzlich auch barrierefreie Objekte baut. Was allerdings für den spezifischen Kunden individuell ausgeführt wird, muss entsprechend vertraglich ver- einbart werden. Und hier sollten Handwerker und Bauunternehmer nur dann das Wort „barrierefrei“ verwen- den, wenn das Projekt auch tatsäch- lich normgerecht umgesetzt werden kann. Wird von Seiten des Bauherren auf Normgerechtigkeit bestanden, so sollte sich der Auftragnehmer zumin- dest immer dann schriftlich absichern und seine Bedenken anmelden, wenn er von der Norm abweichen muss. Auftraggeber wie Auftragnehmer müssen im Zuge der Begriffsdefini- tion noch eine wesentliche Feinheit berücksichtigen: „barrierefrei“ heißt nicht zwangsläufig „rollstuhlgerecht“. Hier nimmt insbesondere die DIN 18040 eine ganz klare Unterschei- dung vor. So gibt es die „barriere- frei nutzbare Wohnung“ (DIN 18040 Teil 2) als Mindeststandard und die „barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnung“ (DIN 1840 Teil 2 R), die viel höhere Anforderungen an Bewegungsflächen und Ausstattungsgrade stellt. Somit kann der Erwerber einer „bar- rierefreien“ Wohnung nicht grund- sätzlich erwarten, dass diese auch uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar ist. Diese Beschaffenheits- vereinbarung ergibt sich erst aus dem Wort „rollstuhlgerecht“. Fazit Im Bereich der „Barrierefreiheit“ sind Namen mehr als Schall und Rauch. Nur da, wo „Barrierefreiheit“ drauf steht, muss sie auch drin stecken. Andererseits gilt: wenn „Barriere- freiheit“ drauf steht, kann der Kunde diese auch erwarten. Ein wenig Vorsicht ist also beim Um- gang mit diesem Begriff auf jeden Fall geboten. Wer das „schwierige“ Wort „Barrierefreiheit“ in seiner Kom- munikation vermeidet, begibt sich daher im Regelfall auch nicht aufs Glatteis.
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